HKP-Richtlinie – Ein Überblick
Das formelle Qualifikationsniveau in der Wundversorgung wird angehoben
Autoren: Prof. Dr. Volker Großkopf und Michael Schanz
Die jüngsten Überarbeitungen der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) und der Rahmenempfehlungen gemäß § 132a Absatz 1 SGB V haben die Qualität der häuslichen Pflege, insbesondere im Bereich der Wundversorgung, stark beeinflusst. Die Änderungen tragen dem wachsenden Bedarf an spezialisierten Pflegeleistungen Rechnung und betonen gleichzeitig, dass Pflegefachkräfte über die erforderlichen Instrumente und Kenntnisse verfügen müssen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen.
Wo darf verordnet werden?
Nach den Worten des Gesetzgebers zum Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz vom 04.04.2017 soll die Wundversorgung durch § 37 Abs. 7 SGB V gestärkt werden: Die Versorgung kann jetzt nicht mehr nur in der Häuslichkeit, sondern auch in entsprechend spezialisierten Einrichtungen erfolgen.
Zuvor wurde der Verband entweder in der Arztpraxis oder der Häuslichkeit des Patienten gewechselt, wenn diese Leistung von einem ambulanten Pflegedienst durchgeführt worden ist. Mit der Öffnung des Leistungsortes sollen Einrichtungen, die auf die pflegerische Versorgung von chronischen Wunden spezialisiert sind, ihre Leistungen im Bereich der Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden über die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL) abbilden können.
Was darf verordnet werden?
Inhaltlich wird diese Erweiterung der Leistungserbringung vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) konkretisiert. Die Leistungsziffer Nr. 31a HKP-RL führt die verordnungsfähigen Maßnahmen zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden auf.
Zum Leistungsspektrum zählen:
- das Anlegen und Wechseln von Verbänden,
- die Wundheilungskontrolle,
- die Desinfektion und Reinigung,
- das Spülen von Wundfisteln,
- die Versorgung von Wunden unter aseptischen Bedingungen und
- die bedarfsweise Anleitung zu krankheits- und wundspezifischen Maßnahmen.
Wer darf versorgen?
Parallel zu diesen Entwicklungen sind gravierende Änderungen im Bereich der Qualifikationsanforderungen für das pflegerische Fachpersonal in der Wundversorgung zu verzeichnen. Ausgangspunkt hierfür sind die Rahmenempfehlungen (RE) der Verhandlungspartner nach § 132a Abs. 1 SGB V, deren letzte Fassung auf den 18.12.2023 datiert. Die Eignungsanforderungen der spezialisierten Leistungserbringer zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden werden dort in § 6 RE beschrieben.
Die Rahmenempfehlung strebt an, dass die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden nach der Nr. 31a HKP-RL vorrangig durch Leistungserbringer erfolgt, die sich auf die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden spezialisiert haben (spezialisierte Leistungserbringer).
Als geeigneter Ort außerhalb der Häuslichkeit werden entsprechend der Vorgabe von § 37 Abs. 7 Satz 2 SGB V erstmals auch spezialisierte Einrichtungen außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten, sogenannte Wundzentren, anerkannt. Daneben können sich auch ambulante Pflegedienste auf die Wundversorgung spezialisieren. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass die Betreiber über einen Versorgungsvertrag gemäß § 132a Abs. 4 SGB V verfügen.
Ein nicht-spezialisierter Pflegedienst kann die Leistungen nach Nr. 31a HKP-RL ebenfalls erbringen, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass die Leistungen zum einen geringer vergütet werden und bei der Versorgung kürzere Verordnungszeiten sowie eine engmaschige Kontrolle durch die Vertragsärztin/den Vertragsarzt erfolgen wird. Es ist zudem zu befürchten, dass die nicht spezialisierten Versorgungseinheiten im Zuge der Spezialisierungsentwicklungen in der Fläche von spezialisierten Leistungserbringern ersetzt werden. Hierbei sind die Frist- und Formerfordernisse des § 6 Nr. 17 GKV-SV-RE zu beachten.
Qualifikation des Leitungspersonals
Der spezialisierte Leistungserbringer hat sicherzustellen, dass die Versorgung grundsätzlich nur durch sozialversicherungspflichtige Pflegefachkräfte erfolgt. Geleitet wird die spezialisierte Versorgungseinheit von einer verantwortlichen Pflegefachkraft, die grundsätzlich über eine abgeschlossene Ausbildung der folgenden Berufsbilder verfügt:
- Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann (nach dem PflBRefG),
- Gesundheits- und Krankenpfleger/-in (nach dem KrPflG),
- Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in (nach dem KrPflG oder nach dem PflBRefG),
- Altenpfleger/-in (nach dem AltPflG vom 25.8.2003 oder nach dem PflBRefG),
- Altenpfleger/-in mit einer dreijährigen Ausbildung nach Landesrecht
Außerdem muss die Leitung eine spezifische Zusatzqualifikation zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden (zertifizierte Weiterbildung) im Umfang von mindestens 168 Unterrichtseinheiten (UE) à 45 Minuten nachweisen.
Qualifikation der Pflegefachkräfte
Alle Pflegefachkräfte, die in der spezialisierte Wundversorgung unmittelbar am Patienten arbeiten, müssen ebenfalls über einen der vorgenannten Berufsabschlüsse verfügen und darüber hinaus eine spezifische Einweisung und strukturierte Einarbeitung in ihre Tätigkeit im Rahmen der Wundversorgung erhalten, die von dem Träger des spezialisierten Leistungserbringers durch fachspezifische, interne und/oder externe Fortbildungen zu gewährleisten ist. Die (produktneutralen) Fortbildungsmaßnahmen müssen sich am aktuellen fachspezifischen Wissensstand im Versorgungsbereich chronische und schwer heilenden Wunden orientieren.
Die Fortbildungen müssen inhaltlich zum Beispiel:
- die Bedeutung der phasengerechte Wundversorgung für das Wundmanagement,
- die Grundlagen der Haut- und Wundheilung,
- die verschiedenen Wundheilungsphasen,
- Wundheilungsstörungen und Stagnation
thematisieren (vgl. § 6 Nr. 10 RE). Der Umfang der Fortbildungen beträgt 10 Zeitstunden je Kalenderjahr und je Mitarbeiterin/Mitarbeiter und wird auf die allgemeine Fortbildungsverpflichtung angerechnet.
Interessierte Pflegedienste/Übergangszeit
Soweit ein bereits bestehender Pflegedienste keine verantwortliche Pflegefachkraft oder Fachbereichsleitung mit einer Zusatzqualifikation vorhalten sollte, gilt Folgendes: Die Voraussetzungen gelten derzeit auch noch dann als erfüllt, wenn sich bei dem Pflegedienst eine Pflegefachkraft in Weiterbildung zur spezifischen Zusatzqualifikation befindet und eine externe Fachkraft, die die Voraussetzungen der spezifischen Zusatzqualifikation erfüllt und mit der ein Kooperationsvertrag besteht, hinzugezogen wird.
Nach der GKV-Rahmenempfehlung gelten gestufte Übergangsregelungen für die Anforderungen an die Zusatzqualifikation bei den Pflegefachkräften, die eigenverantwortlich die fachpflegerische Versorgung bei Versicherten vornehmen. Gemäß § 6 Nr. 16 RE gilt:
Stufe 1
Ab dem 01.10.2024 sollen mindestens 50 % der die Versorgung eigenverantwortlich durchführenden Pflegefachkräfte eine spezifische Zusatzqualifikation zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden mit mindestens 84 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten nachweisen.
Stufe 2
Bis zum 01.01.2026 müssen alle die Versorgung eigenverantwortlich durchführenden Pflegefachkräfte eine spezifische Zusatzqualifikation zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden mit mindestens 84 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten nachweisen.
Fazit
Das in der Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden tätige Pflegefachpersonal muss über die Berufsqualifikation hinaus zusätzliche spezialisierte Qualifikationen erwerben, wenn die Vergütung der Leistungen auf einem lukrativen Niveau sichergestellt sein soll. Die qualifizierten Maßnahmen in der Wundversorgung werden nach den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Spitzenorgane in der gemeinsamen Selbstverwaltung in der Zukunft nur noch aus der Hand von besonders geschultem Personal erbracht werden.
Zahlreiche Fortbildungsangebote von Fachgesellschaften im Bereich „Modernes Wundmanagement“ haben diesen Anspruch ebenfalls mit großer Energie verfolgt. Die Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW), die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) oder die Akademie für Zertifiziertes Wundmanagement (AZM) sind namhafte Ausbilder von zig-tausenden Pflegefachkräften, die sich auf die den Versorgungsbereich „Wunde“ konzentriert haben.
Ganz neu am Ausbildungsmarkt ist PROEXPERT Akademie für die Pflege. Hierüber können ebenfalls die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen zur spezialisierten Leistungserbringung abgewickelt werden. Zu beobachten war, dass die Curricula von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich ausgeprägt waren. Das Machtwort des GKV-Spitzenverbandes und seiner Vertragspartner wird nun wohl zu einer qualitativen Angleichung der Ausbildungsinhalte führen – auf hohem Niveau, zum Wohle der Patienten.
Über die Autoren:
Prof. Dr. Volker Großkopf ist Rechtsanwalt. Er lehrt Rechtswissenschaft an der Katholischen Hochschule (KatHo) in Köln und ist Herausgeber der Fachzeitschrift „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ (RDG). Als Kongresspräsident führt er auf dem Interdisziplinären WundCongress (IWC) seit vielen Jahren Persönlichkeiten aus Medizin, Pflege und Recht zueinander.
Michael Schanz ist Jurist und Journalist. Er ist Chefredakteur der Fachzeitschrift „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ (RDG) und beschreibt seit mehr als 20 Jahren die juristischen Entwicklungen in den Arbeitsfeldern Medizin und Pflege. Als Mitbegründer des Fortbildungs- und Informationsportals (FIP) engagiert er sich zudem im digitalen Fortbildungsbereich der Wundversorgung.
Quellen:
Hänlein, Andreas; Schuler, Rolf: Sozialgesetzbuch V – Gesetzliche Krankenversicherung - Lehr- und Praxiskommentar, 6. Auflage Nomos Baden-Baden 2022
Grosskopf, Volker; Schanz, Michael: "Versorgungsbrüche müssen vermieden werden". In: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (RDG) 2024, 21(2), Seite 114
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie) in den letzten Fassung vom 19. November 2021 und 21. Juli 2022 (BAnz AT 25.03.2022 B1 und BAnz AT 12.10.2022 B2).
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